Psychotherapie ist nach wie vor ein heikles und persönliches Thema. Auf der einen Seite steht Psychotherapie für professionelle Hilfe und Entlastung. Auf der anderen Seite empfinden Menschen Versagensgefühle, Scham und Angst, wenn sie an Therapie denken.
Wenn auch du aktuell mit der Entscheidung „Therapie – JA oder NEIN“ haderst, wird dir dieser Artikel helfen einige wichtige Gründe FÜR eine Therapie zu überdenken.
Bevor du dich für eine Therapie entscheidest, wirst du dir bestimmt diese Frage stellen:
Warum sollte ich eine Psychotherapie machen? Bin ich da überhaupt richtig? Wird sie mir helfen?
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Inhaltsverzeichnis
Wann ist eine Psychotherapie richtig?
Hier die 21 Gründe, die dein WARUM beantworten könnten: Wann ist eine Psychotherapie richtig?
- Du hast Erfahrungen in deiner Vergangenheit gemacht, die du bist heute nicht überwinden konntest. Sie hängen dir bis heute nach und beeinflussen deine Lebensgestaltung oder engen sogar deinen Handlungsspielraum ein. Sie rauben dir Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein und hindern dich daran dich wirklich wohl in deiner Haut und in deinem Leben zu fühlen.
- Du hast vor einiger Zeit einen schweren Verlust erlitten und befindest dich noch in der Trauer. Das ist auch völlig in Ordnung. Doch ein Gefühl sagt dir, dass deine Trauer zu intensiv wird und du in ein dunkles Loch abrutscht. Es ensteht die Angst da nicht wieder herauszukommen.
- Du merkst, dass du dich in einer Abwärtsspirale befindest. Deine Stimmung wird immer gedrückter, du hast keinen Antrieb, dich interessiert kaum noch etwas und du ziehst dich immer weiter zurück.
- Du erlebst seit einiger Zeit Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Appetitverlust (oder eher starke Appetitsteigerung), Aufmerksamkeitsprobleme oder einen Verlust vom sexuellen Interesse. Das bereitet dir Kummer und du leidest darunter.
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Dein Selbstwertgefühl und dein Selbstvertrauen sind ziemlich gering. Du entwickelst ein negatives Selbstbild, bei dem du hart mit dir ins Gericht gehst.
- Du hast Schwierigkeiten sozialen Anschluss zu finden, Freundschaften zu schließen oder eine Partnerschaft einzugehen. Das bedrückt dich sehr.
- Deine Freundschaften oder Partnerschaften verlaufen oft nach einem ähnlichen Muster oder zerbrechen immer wieder. Andere haben dir zurück gemeldet oder du selbst vermutest, dass es etwas mit dir zu tun haben könnte.
- Du merkst, dass deine Gedanken, Bewertungen, Gefühle und auch Verhaltensweisen immer einseitiger werden und deine Grundeinstellung eher negativ wird.
- Du erlebst Ängste und Sorgen gegenüber Gegenständen, Lebewesen oder Situationen. Inzwischen kannst du bereits selbst beurteilen, dass diese Ängste größter sind als die eigentliche reale Gefahr. Diese Ängste und Sorgen beeinträchtigen aber zunehmend dein Leben.
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Du führst bestimmte Handlungen, Verhaltensmuster oder Gedankengänge immer wieder durch. Die Vorstellung das zu unterbinden bereitet dir Angst und Unbehagen. Ein innerer Zwang treibt dich an, auch wenn du weißt, dass dieses Verhalten nicht notwendig ist.
- Du leidest unter wiederkehrenden körperlichen Beschwerden oder Schmerzen, ohne dass dafür eine zureichende körperliche Ursache diagnostiziert wurde.
- Du leidest an einer körperlichen Erkrankung. Doch auch seelisch fällt es dir schwer dein Leben mit Lebensfreude zu führen – du fühlst dich belastet, bestraft oder eingeschränkt.
- Du hast gewisse Ernährungsgewohnheiten entwickelt, von denen du glaubst oder sogar genau weißt, dass sie nicht mehr gesund sind. Zum Beispiel wiederkehrende Essattacken, Hungerphasen, selbst herbeigeführtes Erbrechen oder Durchfall. Oder du führst eine „Black List“, isst ritualisiert oder vermeidest es vor anderen Menschen zu essen.
- Du leidest unter deinem Körperbild, du findest dich zu dünn oder zu dick, nicht schön genug und das beeinträchtigt dein Selbstwertgefühl und dein alltägliches Leben.
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Du hast das Gefühl in einem falschen Körper oder mit einem falschen Geschlecht geboren worden zu sein. Dein Identitätsbild ist ein großes Schmerzthema.
- Du bist seit langem überarbeitet, privat oder/und beruflich überlastet und hast das Gefühl völlig ausgebrannt bald zusammenzubrechen. Doch so gut es geht, reißt du dich zusammen.
- Du bist mit deinem Leben so wie es ist absolut unglücklich und befindest dich in einer Sinnkrise.
- Du neigst dazu Medikamente, Drogen oder Alkohol zur Stressregulation oder zur Regulation deiner Emotionen zu missbrauchen. Es besteht Gefahr zur Abhängigkeit.
- Du hast bereits Verschiedenes ausprobiert, um mit deinen Sorgen oder mit deinem Zustand zurechtzukommen oder deine Probleme zu lösen. Doch bisher hat nichts richtig gut funktioniert.
- Du bist bereits in der Vergangenheit mit einer psychischen Erkrankung behandelt worden (z.B. Depression, Essstörung, Zwangsstörung, Burn Out, Posttraumatische Belastungsstörung, Angststörung, Suchterkrankung) und merkst, dass du rückfällig wirst.
- Auch anderen Menschen fallen an dir gewisse Dinge immer und immer wieder auf und du wirst auch darauf aufmerksam gemacht.
Die Entscheidung FÜR oder GEGEN eine Therapie
Grundsätzlich stellt sich die Frage nach einer Therapie dann, wenn es um die eigenen Belastungs- und Leidensgrenzen geht.
Stell dir vor, die oben genannten 21 Punkte wären eine Checkliste.
Wie viele könntest du ehrlicherweise als zustimmend ankreuzen?
Wenn du dich nun fragst: „Wie viele muss ich denn ankreuzen, damit eine Therapie für mich richtig ist?“ – Dann lautet die Antwort:
Es reicht ein Punkt aus, um wenigstens in die psychotherapeutische Sprechstunde zu gehen.
Doch die Entscheidung liegt bei dir.
Meist ist es der Leidensdruck, der zu einer klaren Entscheidung führt. Und Leidensdruck ist tatsächlich einer der 5 Gründe, wann eine Psychotherapie WIRKLICH NOTWENDIG ist!
Doch mit Leidensdruck ist es so eine Sache – leider sind oft die besonders belasteten Menschen, die besonders leidensfähig sind. Und da Leidensfähigkeit keine Tugend ist, liegt es letztlich an deinem Durchhaltevermögen und der Frage: Wie lange geht das schon so und wie lange soll es noch so bleiben?
Diese Frage ist äußerst kritisch, ich weiß!
Doch diese Frage ist notwendig, denn es geht bei psychischer Gesundheit nicht um ein isoliertes Thema. Deine psychische Gesundheit wirkt sich auch auf deine körperliche Gesundheit. Beide entscheiden über dein Wohlbefinden, über deine Vitalität, deine Lebensqualität und nicht zuletzt über die Zahl der Lebensjahre, die du in deinem Leben noch hast.
Fassen wir zusammen
Entscheidend sind dein persönlicher Leidensdruck, deine Belastbarkeit und dein Durchhaltevermögen.
Wenn du eine sehr leidensfähige Person bist, ist es für dich wichtig zu überlegen, wie lange du bereits durchhältst und noch bereit bist durchzuhalten und inwiefern du deinem sozialen Umfeld dieses Durchhalten zumuten kannst.
Belastbarkeit und Durchhaltevermögen sind kein Beweis für Stärke, Moral, Werte oder Tugend.
Es hat nichts mit Versagen zu tun, wenn du Hilfe in Anspruch nimmst, die dir zusteht und die dich schneller an deine Ziele bringt, als wenn du dich alleine mit deinen Problemen abmühen würdest.
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Danke für deine Aufmerksamkeit!
Tatjana
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