„Stationäre Therapie – ist das nicht was für die ganz Mutigen und Verrückten?“ Hm…Nein! Es gibt sehr gute Gründe für eine stationäre psychosomatische Therapie! Doch…
- Was hält Menschen davon ab sich stationär behandeln zu lassen?
- Was bewegt Menschen zu einer stationären Therapie?
- Welche Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche bringen diese Menschen mit?
- Wer hat ihnen dazu geraten, in eine Klinik zu gehen?
Wenn auch du dich mit der Frage konfrontierst, ob du in eine Klinik gehen solltest, dann bist du hier richtig. Ich stelle dir die wichtigsten Gründe vor, die für eine stationäre psychosomatische Therapie sprechen. Los geht’s:
Inhaltsverzeichnis
Grundsätzliches über stationäre psychosomatische Therapie
Generell gilt:
Eine ambulante Psychotherapie hat immer Vorrang vor einer stationären Psychotherapie. Dein Weg wäre also: Zuerst ambulante Psychotherapie und dann stationäre Therapie.
Eine stationäre Behandlung an einer psychosomatischen Klinik ist dann indiziert, wenn die Weiterbehandlung mit ambulanten Maßnahmen nicht mehr ausreicht. Sprich die ambulante Therapie kann nicht für eine ausreichende Stabilisierung oder Besserung deines Zustandes sorgen. Dann ist eine stationäre Behandlung in einer Klinik angesagt.
Die medizinische Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung muss über deine:n ambulante:n Psychotherapeut:in oder über eine:n Fachärzt:in oder deine:n Allgemeinmediziner:in verordnet werden. Du brauchst also eine Krankenhauseinweisung mit einer entsprechenden Diagnose, um an einer psychosomatischen Klinik aufgenommen zu werden.
Und jetzt eine Kleinigkeit aus der Realität:
Die Praxis zeigt, dass du nicht zuerst zur ambulanten Psychotherapie musst, um im Anschluss irgendwann an eine Klinik zu gehen.
Tatsächlich kann es sehr sinnvoll sein, dass du dich gleich stationär behandeln lässt. Damit kommen wir auch schon zu den 13 Gründen für einen Klinikaufenthalt. Nutze diesen Artikel gerne mit meinen Empfehlungen, wie du jemandem aus deinem nahen Umfeld geschickt beibringen kannst, dass eine stationäre Therapie sinnvoll wäre.
13 wichtige Gründe für eine stationäre psychosomatische Therapie:
Lies dir die folgenden Gründe aufmerksam durch. Was trifft auf dich zu?
Grund #1:
Du fühlst dich bereits seit langer Zeit sehr belastet. Psychisch, wie körperlich. Du warst deswegen immer mal wieder bei Ärzt:innen. Doch eine Besserung blieb bis jetzt aus.
Beispiel: Du hast Schlaf- und Konzentrationsprobleme, fühlst dich oft antriebslos und erschöpft. Du musst dich zu allem aufraffen. Dein Appetit ist dir verloren gegangen und du hast das Gefühl mit keinem über deinen Zustand reden zu können. Medizinisch ist alles abgeklärt, bisher konnte dir keiner eindeutig sagen, was mit dir los ist. Entsprechend haben bis jetzt auch keine Medikamente nennenswert geholfen.
Grund #2:
Du leidest unter psychischen Problemen oder hast eine psychische Erkrankung, die sich auch auf deinen Körper auswirkt.
Beispiel: Du leidest unter einer sozialen Phobie. Diese Ängste machen dir echt zu schaffen. Doch deine Ängste machen auch deinem Körper zu schaffen. Du hast starke Verspannungen, leidest immer wieder unter Kopfschmerzen oder Migräne und all die ständige Anspannung schlägt dir hart auf den Magen. Zudem bereitet dir dein Herzrasen auch Sorgen.
Grund #3:
Es gibt zahlreiche Belastungsfaktoren in deinem Leben. Sie verringern deine Lebensqualität und bereiten dir Probleme und Sorgen. Du steckst buchstäblich in einer Lebenskrise oder in einer Sackgasse, aus der du alleine nicht mehr rauskommst.
Beispiel: Du bist seit 15 Jahren verheiratet, aber bist schon lange nicht mehr glücklich in deiner Ehe. Du erlebst emotionale Gewalt oder immer wieder Grenzüberschreitungen. Doch nach außen hin stellst du dich glücklich und kraftvoll. Am liebsten würdest du dich trennen, wären nicht die Kinder und die große Angst vor dem Alleinsein.
Grund #4:
Aufgrund deines belasteten Zustandes kommt es wiederholt zu Fehlzeiten auf der Arbeit. Diese Fehlzeiten können kurz oder bereits richtig lang sein. Trotz langer Fehlzeiten erlebst du keine ausreichende Regeneration.
Beispiel: Immer wieder lässt du dich krankschreiben. Hier mal eine Woche, da mal zwei Wochen. Oder sogar mal einen Monat am Stück. Du merkst einfach, dass du all deinen Belastungen sonst nicht mehr gewachsen bist. Du warst schon ein bis drei Monate am Stück krankgeschrieben, in der Hoffnung, dass du endlich wieder zu Kräften kommst. Doch leider fühlst du dich auch nach dieser Zeit nicht erholt. Du kehrst belastet an deinen Arbeitsplatz zurück. Deine Kräfte sind schnell wieder aufgebraucht.
Grund #5:
Du lässt dich von deiner Hausärztin/ deinem Hausarzt, in der ambulanten Psychotherapie oder bei sonstigen Heiler:innen und Coaches behandeln. Doch leider ohne deutliche Besserung.
Beispiel: Du bist in ambulanter Psychotherapie oder nimmst Antidepressiva und dennoch geht es dir einfach dreckig. Deine Beschwerden sind weiterhin so ausgeprägt, dass sie dich in deinem Alltag belasten und einschränken.
Grund #6:
Du bist bereits in Psychotherapie, regelmäßig bei anderen Fachärzt:innen, aber dennoch verschlechtert sich dein Zustand. Dein Leidensdruck ist hoch.
Beispiel: Obwohl du deine Therapie-Termine wahrnimmst und dir echt Mühe gibst, dass sich dein Zustand bessert, passiert nichts. Im Gegenteil. Dein Zustand verschlechtert sich (schleichend).
Grund #7:
Du hast (immer größere) Schwierigkeiten bei der Bewältigung deines Alltages.
Beispiel: Deine Aufgaben, Verpflichtungen, Verantwortlichkeiten und soziale Rollen wachsen dir über den Kopf hinaus. Es ist zu viel und du hast das Gefühl von den letzten Fetzen deiner Ressourcen zu zehren. Selbst kleine alltägliche Dinge wie Essen zubereiten, Putzen oder Duschen kosten dich inzwischen viel Kraft.
Grund #8:
Deine Stimmung ist sehr bedrückt. Dir kommen Sinnlosigkeitsgedanken. Du erlebst Lebensüberdruss oder es drängen sich sogar lebensmüde Gedanken oder Wünsche auf.
Beispiele:
„Alles, was ich mache, ist eh sinnlos. Mein Leben ist sinnlos.“
„Ich bin müde, ich will nicht mehr, ich habe einfach keine Kraft mehr. Was soll mir das Leben noch bieten?“
„Ich will nicht mehr leben.“
Grund #9:
Deine behandelnden Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen haben dir eine stationäre psychosomatische Therapie empfohlen.
Beispiel: Du bist bereits in ambulanter Therapie, trittst aber auf der Stelle. Oder deine ambulante Therapie läuft langsam aus, aber du brauchst weiterhin Unterstützung. Dein:e Therapeut:in ist wachsam und hat dir einen Klinikaufenthalt empfohlen.
Grund #10:
Eine zeitlich begrenzte örtliche Trennung von deinem privaten und beruflichen Umfeld wäre sinnvoll oder sogar notwendig, um deine Probleme zu bewältigen.
Beispiel: Zu Hause bist du Everybody’s Darling. Immer präsent. Immer am funktionieren. Doch es gibt auch Probleme in deinem Umfeld und die schluckst du immer wieder runter. Du merkst, dass ein gewisser Abstand dir helfen könnte, endlich wieder atmen zu können. Endlich wieder zu dir zu finden. Endlich mal Zeit für dich zu haben und dich gewisser Dinge bewusst zu werden.
Grund #11:
Deine Mitmenschen vermuten, dass dich dein privates oder berufliches Umfeld langsam vergiftet. Sie empfehlen dir auf Abstand zu gehen.
Beispiel: Du verdrängst das, was um dich herum passiert. Aber andere wachsame Menschen sagen dir, dass etwas in deinem privaten oder beruflichen Umfeld ganz und gar nicht stimmt. Sie merken, dass dein Umfeld zu deinen Beschwerden beiträgt und haben erkannt, dass du dringend aus deinem Umfeld rausgebracht werden solltest.
Grund #12:
Die Wartezeiten für eine ambulante Psychotherapie sind sehr lang. Doch du brauchst dringend professionelle Hilfe.
Beispiel: Du hast erkannt, dass es gute Gründe gibt, um eine Therapie zu machen. Doch leider bist schon seit über 6 Monaten auf der Suche nach einem freien Therapieplatz. Leider erfolglos. Dabei merkst du, dass du wirklich dringend Hilfe brauchst. Noch länger zu warten wäre inzwischen unerträglich für dich oder auch deine Angehörigen.
Übrigen, wenn du genau in dieser Lage steckst, sichere dir meinen SOS-Guide. Es wird dein Leitfaden zur Überbrückung der langen Wartezeit auf einen Therapieplatz sein.
Auch könnten dir diese Artikel weiterhelfen:
Kein Therapieplatz? – Was du trotzdem tun kannst
Was kann eine stationäre Therapie für mich leisten?
Grund #13:
Es besteht die Gefahr einer Selbst- oder Fremdgefährdung. Du benötigst ein intensives Behandlungsspektrum.
Beispiel: Du empfindest dein Leben als sinnlos und deine Gedanken an den Tod nehmen langsam konkrete Suizid-Ideen an. Oder du bist inzwischen so kraftlos und antriebslos, dass du dich nicht mehr ausreichend um deine Familie kümmern kannst. Deine Kinder werden vernachlässigt oder sogar gefährdet. Du benötigst einen geschützten Raum mit ärztlicher Überwachung, sodass dein Wohl oder das Wohl anderer geschützt wird.
Bist du überrascht?
Welche der 13 Gründe haben auf dich zugetroffen? Wo hast du dich wiedererkannt?
Gab es einen Grund, der dich überrascht hat? Bei dem du nicht gedacht hast, dass man deswegen eine stationäre psychosomatische Therapie machen könnte/müsste?
Tatsächlich sind diese Gründe den meisten unter uns eher unbekannt oder unklar. Wir denken bei einer Klinik an eine „Irrenanstalt“ oder an das „Abstellgleis“ für die ganz schlimmen Fälle. Aber das ist Quatsch!
Eine psychosomatische Klinik hat nichts mit einer Psychiatrie wie aus einem Horrorfilm zu tun. Eine psychosomatische Klinik ist ein Ort, an dem sich intensiv um deine psychische und körperliche Gesundheit gekümmert wird. Zeitlich gebündelt erfährst du dort einen Mix aus verschiedenen Therapien und bekommst so die Chance dich intensiv um dich zu kümmern.
Wenn du jetzt dennoch wissen willst, aus welchen Gründen man in eine Psychiatrie eingewiesen werden könnte und wie eine „Zwangseinweisung“ in Deutschland geregelt ist, empfehle ich dir den Blog von Andreas und hier explizit seinen Artikel: „Einweisung in die Psychiatrie – das musst du wissen„.
Die Gründe für einen Klinikaufenthalt ähneln sehr den Gründen für eine ambulante Psychotherapie. Deswegen könnten diese Artikel auch interessant für dich sein:
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Wann ist eine Psychotherapie wirklich NOTWENDIG? – 5 wichtige Gründe!
Wie geht es mit dir weiter?
Welche Gründe sprechen aus deiner Sicht für eine stationäre Therapie?
Wenn du dich fragst: „Wie viele Gründe würden einen Klinikaufenthalt rechtfertigen?“, dann ist das die Antwort:
Schon einer der 13 Gründe reicht bereits aus.
Es gibt natürlich Gründe, die eine stationäre psychosomatische Therapie wirklich dringlich machen. Zum Beispiel, wenn du Gedanken an den Tod hast. Wenn du deinen Alltag nicht mehr bewältigen kannst oder alle bisherigen ambulanten Versuche gescheitert sind.
Doch jedes der Gründe für sich genommen rechtfertigt eine stationäre Therapie!
Nicht die Anzahl der Gründe sind entscheidend. Es ist allein entscheidend, WIE STARK DEINE LEBENSQUALITÄT leidet. WIE GERING DEINE KRAFTRESERVEN geworden sind. Und WIE HOCH DEIN LEIDENSDRUCK ist. Es ist entscheidend, wie lange du bereits im Durchhaltemodus steckst. Wie es um deine Ressourcen steht und wie groß der Veränderungswunsch in dir ist.
Selbst wenn kein:e Therapeut:in und kein:e Ärzt:in bisher auf die Idee gekommen ist, mit dir über eine stationäre psychosomatische Therapie zu sprechen, heißt es noch lange nicht, dass es dafür keine Gründe gibt.
Vor allem, wenn du all deine Belastungen für dich behältst und nach außen versuchst eine starke Person zu sein, wird niemand richtig einschätzen, wie es um dich steht. Wie du selbst einschätzen kannst, ob du psychisch belastet bist, erfährst du persönlich von mit in meinem aktuellen und kostenfreien Vortrag. melde dich dazu in meinem Newsletter an und nimm direkt am Vortrag teil!
Wenn du auch nur ein leises Gefühl verspürst, eine stationäre Therapie könnte dich weiterbringen, dann folge diesem Gefühl.
Ich danke dir für deine Zeit und Aufmerksamkeit!
Tatjana
In diesem Beitrag siehst du Bilder von @Mantas Hesthaven und @Alec Douglas von Unsplash.
10 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke. Glaub du rettest grad ein Leben.
11 der 13 Gründe für eine stationäre psyotherapie passen voll auf mich .
Hallo du,
dann hoffe ich, dass dir dieses Bewusstsein über die 11 Gründe nützen wird und dir hilft gute Entscheidungen im Sinne deiner Gesundheit und deiner Lebensqualität zu treffen. Danke für deinen ehrlichen Kommentar!
Ich wünsche dir alles Gute!
Tatjana
Ich war im Februar bereits für 4 Wochen stationär. Die Therapien an sich waren toll, auch mit meiner Bezugstherapeutin kam ich gut klar. Leider war es nur ein Einzelgespräch pro Woche, was dazu führte, dass wir in allen 4 Gesprächen ein neues Thema angefangen haben, aber nie weiter daran gearbeitet haben. (Es fühlt sich für mich jetzt so an, als wäre eine Straße an 4 Stellen aufgerissen worden und nur notdürftig mit Kies wieder zugeschüttet.)
Jetzt war ich für 2 Wochen in der Tagesklinik, wo ich allerdings heute rausgeworfen wurde, weil die Fortschritte in ihren Augen zu wenig waren. Mit meiner Therapeutin dort kam ich (andere übrigens auch nicht) überhaupt nicht klar, sie baute viel zu viel Druck auf und durch ihr ganzes empathieloses Verhalten fühle ich mich jetzt sogar schlechter als vor der stationären Therapie.
Allerdings führte die stationäre Therapie zu einer „Entfremdung“ von meinem vertrauten Umfeld, was ich bis heute noch nicht ganz verarbeitet habe, und ich bin aufgrund meiner Erkrankung außerhalb von meinem Zuhause im Dauer-Anspannungszustand (also auch in der Klinik).
Es handelt sich primär um eine soziale Angststörung als Folge von selektivem Mutismus.
Es gibt jedoch eine andere Klinik, die ein extra Programm für soziale Phobie hat. Jetzt überlege ich, ob es nur dafür sinnvoll ist, den Dauer-Anspannungszustand und das Entfremdungsgefühl in Kauf zu nehmen. Die Klinik ist auch nicht nebenan von meinem Wohnort, sondern gut 40-50km entfernt.
Vielen Dank für die tollen Infos auf deinem Blog. Das macht mir auf jeden Fall Mut und die Beispiele machen es anschaulich.
Ein paar der Punkte aus diesem Artikel treffen auch auf mich zu und bestärken mich darin, es stationär anzugehen.
In einem anderen Artikel schreibst du, dass du dich normalerweise auf die Akutbehandlung beziehst. Was sind denn da genau die Unterschiede zur Reha? Wann gehört man in die stationäre Reha und wann auf Akutstation?
Liebe Grüße!
Bei mir sind es 8 Gründe und jemand nahe stehendes hat mir gesagt, dass er glaubt, ein Klinikaufenthalt würde mir guttun und weiterhelfen. Ich habe kürzlich die Diagnose Borderline erhalten, das Tückische daran ist, dass ich oft Phasen habe, wo ich denke alles ist wieder gut und ich brauche auch meine aktuelle ambulante Therapie nicht mehr, dabei habe ich gerade erst vor ein paar Monaten begonnen. Ist alles sehr verwirrend und ich weiss momentan selbst nicht, was das Beste für mich ist, möchte aber auch nicht in eine Klinik und jemand anderes braucht den Platz dringender als ich.
Vielen lieben Dank für diese Auflistung! Sehr hilfreich!
Ich fand den Artikel sehr interessant. 9 Punkte treffen auf mich zu, manche mehr manche weniger. Meine erste ambulante Therapeutin war super, ich musste aber wechseln und jetzt geht gefühlt gar nichts mehr. Ich möchte nicht stationär, meine Tiere (und die Natur hier) sind mein einziger Halt. Ohne sie kann ich nicht, eine längere Trennung is unmöglich
Hallo.
Ich bin luci und 13 Jahre alt
Ich hab Physiotherapie aber die bringt mir nix.
Es verschlechtert
Sich alles momentan
Und meine Oma sagt nein zu einer Klinik
Ich war schon in einer Tages Klinik aber diese hat alles schlimmer gemacht
Meine Psychotherapeutin hat auch schon gesagt so eine Klinik wäre gut
Aber meine Oma will es nicht und ich will es
Ich will wieder gesund sein
Keine Depressionen mehr
Und mich nicht mehr Ritzen
Ich möchte wieder frei sein
Und clean
Bin daran interessiert