Weißt du, wie oft ich höre: „Aaaach, noch geht es mir doch gar nicht so schlecht. Ich komme doch zurecht. Noch trage ich nicht den Kopf unterm Arm.“ Und dann kommt der Klassiker: „Es gibt doch schon so wenige Therapieplätze. Wenn ich jetzt in Therapie gehe, nehme ich nur jemandem den Platz weg, der das viel nötiger hätte als ich.“ Und weißt du, was daran am spannendsten ist? Genau diese Menschen sind diejenigen, die kurze Zeit später eine Psychotherapie WIRKLICH NOTWENDIG UND DRINGEN brauchen.
Wann genau diese Notwendigkeit eintritt, will ich dir hier in 5 Punkten erklären.
Inhaltsverzeichnis
Wann Psychotherapie ratsam und richtig ist:
Ratsam ist eine Psychotherapie dann, wenn du:
- In einer Situation steckst, die dir eindeutig zu schaffen macht.
- Mit vergangenen Erfahrungen immer wieder am kämpfen bist und dir auffällt, dass diese Erfahrungen dich in deinem jetzigen Alltag immer wieder einholen und dich belasten.
- Gewisse körperliche oder seelische Beschwerden hast, die über längere Zeiträume anhalten, für die es keine plausible medizinische Erklärung gibt und die dein Wohlbefinden einschränken (z.B. Schlafprobleme, Konzentrationsprobleme, Appetitverlust).
Es gibt noch 21 weitere gute Gründe, warum eine Psychotherapie richtig und ratsam ist.
Dann bleibt noch die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für eine Therapie ist.
Es gibt grundsätzlich nicht den einen richtigen Zeitpunkt. Und in der Regel ist der Zeitpunkt genau dann richtig, wenn du anfängst mit Gedanken zu spielen, dass eine professionelle Hilfe, wie eine ambulante Psychotherapie, dir vielleicht weiterhelfen könnte.
Wenn ich dir einen Tipp geben dürfte, würde er so lauten: Versuche es lieber früher mit einer Therapie, als es später zu bereuen.
Wenn du dennoch mehr Informationen zum richtigen Zeitpunkt für eine Therapie brauchst, habe ich für dich 5 Indikatoren zusammengetragen, die dir weiterhelfen werden.
Hier eine Zusammenfassung dieser 5 Indikatoren:
1. Du verspürst deutlichen Leidensdruck.
2. Es gibt bereits Folgen für deine körperliche (und seelische) Gesundheit.
3. Dein Zustand oder deine Situation wirken sich auf dein Umfeld aus.
4. Dein Umfeld macht sich Sorgen um dich und du bekommst häufiger entsprechende Rückmeldungen.
5. Deine eigenen Lösungsansätze bringen dich nicht mehr weiter.
Mehr zu den 5 Indikatoren findest du unter: Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Psychotherapie?
Wann ist Psychotherapie wirklich notwendig?
In den ganzen letzten Jahren als Psychologin habe ich eins über Menschen gelernt:
Es gibt keine andere Spezies, als den Menschen, die so unendlich leidensfähig ist.
Wirklich. Es ist unglaublich, wie viel Durchhaltevermögen der Mensch aufbringen kann, wie sehr er Leid, Not und Ungerechtigkeit ausharren kann.
Und weißt du, was daran am meisten erstaunlich ist?
Der Mensch neigt auch noch dazu, sich selbst im Leid festzuhalten. Nicht etwa, weil er tatsächlich in diesem Leid festgehalten wird, sondern weil ihn meistens seine eigenen Gefühle und Überzeugungen dazu bringen in diesem Leid zu bleiben.
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz“
„Ich darf keine Schwäche zeigen.“
„Ich muss alle meine Probleme alleine lösen.“
„Mir will eh keiner helfen.“
In der Psychotherapie ist der Grat zwischen richtig und notwendig schmal. Umso wichtig ist es, dass du deinen Zustand realistisch einschätzt und nicht etwa mit der Einstellung „Ich mache meine Probleme alleine mit mir aus.“ Überdenke auch bitte, ob ein Ende mit Schrecken besser wäre als ein Schrecken ohne Ende.
Hier also die Gründe, warum und wann eine Psychotherapie wirklich notwendig ist:
Grund 1: Lebensüberdruss oder Todeswünsche
Du erlebst lebensmüde Gedanken, verspürst eine Sehnsucht nach Erlösung, empfindest dein Leben als sinnlos oder hast sogar konkrete Suizidgedanken oder Wünsche und überlegst dir, wie du es anstellen könntest.
Grund 2: Übermäßiger Leidensdruck
Dein Leidensdruck ist inzwischen so groß geworden, dass du deutliche Beeinträchtigungen deiner Lebensqualität, deines Wohlbefindens, deiner Gesundheit und deiner Leistungsfähigkeit erlebst.
Grund 3: Entwicklung von Krankheitswert
Die Sorgen, Ängste, Probleme und Beschwerden haben inzwischen so überhandgenommen, dass du sie selbst als krankhaft empfindest.
Grund 4: Überforderung in der Alltagsbewältigung
Inzwischen hast du sogar Schwierigkeiten, einfache alltägliche Dinge zu bewältigen. Selbst Kleinigkeiten kosten dich Überwindung oder viel Kraft und du merkst, dass du schnell an deine Grenzen kommst und überfordert bist.
Grund 5: Nötige Abgabe von Verantwortung und Absicherung
Du hast das Gefühl, es wäre sehr wichtig, eine Vertrauensperson zu haben, die notfalls Verantwortung für dich übernehmen und dabei auch deine Angehörigen entlasten kann. Zum Beispiel wenn du selbst keine Entscheidungen mehr treffen kannst, wenn du lebensmüde Gedanken hast oder nicht mehr in der Lage bist für dich oder andere (z.B. deine Kinder) zu sorgen.
Alle diese 5 Gründe sind ein deutliches Zeichen dafür, dass der Zenit für jegliches Durchhaltevermögen, jegliche „Ich komme schon noch zurecht“-Einstellung und jeden guten Willen längst überschritten wurde.
Jeder dieser 5 Gründe ist ein Warnzeichen dafür, dass du wirklich dringend Hilfe brauchst! Hier geht es längst nicht mehr darum, ob eine Therapie dir weiter helfen könnte, sondern, dass du dringend in professionelle Hilfe musst.
Sollte der Fall eintreten, dass du dich für ambulante Psychotherapie entscheidest, aber keinen Platz bekommst, hole dir bitte Hilfe in meinem SOS-Guide. In diesem Guide stelle ich dir die 3 fundamentalen Säulen vor, die dir bei der Überbrückung deiner Wartezeit helfen werden und dafür sorgen, dass du schneller an alternative Hilfe kommst!
Ich danke dir für deine Zeit und Aufmerksamkeit!
Tatjana
In diesem Beitrag siehst du Bilder von @Greg Rosenke und @Logan Fisher von Unsplash.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Hallo,
Danke für diesen Artikel, das hat mir heute geholfen meinen Mann zu überreden sich Hilfe zu holen. Bei ihm treffen Punkt 1, 2 und 4 zu und ich weiß langsam necht mehr weiter. Das Problem ist, dass er keinen Platz findet und was macht man dann? Oder gibt es eine Möglichkeit ihm schnell zu helfen, wenn er jetzt immerhin einwilligt?