Psychotherapie ist wie Gulasch kochen. Oder Kuchen backen. Wenn du deinem Gulasch oder Kuchen keine besondere Würze gibst, wird dein Gericht fad, trocken und eintönig schmecken. Du wirst dir das lieblose Resultat frustriert anschauen und dir denken, dass es pure Zeitverschwendung war, dafür so lange in der Küche zu stehen. Ähnlich ist es mit Psychotherapie. Wenn du eine erfolgreiche Psychotherapie erleben willst, braucht es (auch) dein persönliches Zutun. Deine Würze. Damit gibst du deiner Behandlung das nötige „Extra“, um an Ende auf zufriedenstellende Resultate zurückzublicken.
Die Frage aller Fragen ist also: Was brauchst DU als Patient für eine erfolgreiche Psychotherapie? Welche Würzmischung macht deine Therapie erst so richtig lohnenswert?
„Warum lautet die Frage nicht: Was sollte mein Therapeut tun, damit meine Therapie gut wird?“ – fragst du dich jetzt oder? Nun – auch darüber müssen wir reden!
Wir beide können deinen Therapeuten nicht „direkt beeinflussen“. Was wir können ist, dich in deinem Therapieprozess so weit zu stärken und zu emanzipieren, dass du deine Therapie aktiv mitgestaltest. Dass du selbst für mehr Erfolg in deiner Therapie sorgst. Und das wird sich wohl oder über auch auf deinen Therapeuten auswirken. 😉
Inhaltsverzeichnis
Erfolgreiche Psychotherapie aus der Praxis
Die Psychotherapieforschung zeigt, dass die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Patient und Therapeut der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Psychotherapie ist. Das würde ich bedenkenlos unterschreiben!
Aber die Praxis zeigt auch:
1. Patienten starten oft ohne konkrete Vorstellungen in eine Psychotherapie. Damit meine ich vor allem Menschen, die noch keine oder sehr wenig Therapie-Erfahrung haben.
2. Patienten bringen Hoffnungen und Erwartungen in die Therapie. Vor allem erwarten sie einiges von ihrem Therapeuten-“Profi“. Was schon mal dazu führt, dass sie sich ein Stück weit „passiv“ im Therapieprozess verhalten.
→ Im Therapieprozess sind diese Patienten vergleichbar mit einem „Fähnchen im Wind.“
3. Leider klären noch zu wenige Therapeuten ihre Patienten ausreichend darüber auf, was in der Therapie auf sie zukommt. Vor allem, was von ihnen realistisch erwartet wird. Wie eine Therapie „funktioniert“ und was zu einer erfolgreichen Therapie dazu gehört.
→ In der Routine der Psychotherapie wird vieles selbstverständlich.
Mögliche Folge: Patienten fühlen sich nicht richtig informiert und aufgeklärt. Dadurch nicht richtig gesehen und verstanden. Diese Patienten bleiben in der Therapie unzufrieden und erleben keinen spürbaren Erfolg.
Kommt dir das bekannt vor?
Oder möchtest du das für dich unbedingt vermeiden?
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Gib deiner Therapie die besondere Würze
Fakt ist: Therapeuten UND Patienten können beiderseits zu einer erfolgreichen Psychotherapie beitragen! Am besten noch sie tun es gemeinsam, Hand in Hand.
Doch jetzt geht es erstmal um dich. Und darum, was DU beitragen kannst, um deiner Therapie die besondere Würze zu verleihen. Die Würze für Zufriedenheit, Fortschritt und für Erfolg.
Wenn du gleich weiterliest, könnte es sich unangenehm anfühlen. Erstmal. Aber versuche bitte, dich auf den Inhalt einzulassen. Ich stelle dir die wichtigsten 7 „Gewürze“ (sprich Eigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen) vor, mit denen du für eine erfolgreiche Psychotherapie sorgen kannst. Zu jedem Punkt stelle ich dir eine Frage. Folge deiner ersten Eingebung, wenn du versuchst diese Frage zu beantworten.
>> 1. Bereitschaft
Es gibt Situationen, da wirst du zu einer Therapie überredet oder sogar gezwungen. Aber im besten Fall nimmst du die Suche nach einem Therapeuten freiwillig auf. Und gehst entsprechend freiwillig zu deiner Therapie.
Bereitschaft bedeutet, dass du dich dafür öffnest, dich auf eine dir fremde Person einzulassen. Dass du mit dieser Person offen und ehrlich umgehst. Sie an deinen Themen teilhaben lässt. Dieser Person, also dem Therapeuten, eine Chance lässt, dich zu verstehen, zu erreichen und dir weiterzuhelfen.
Bereitschaft ist die Basis für alles. Und deswegen auch eine der größten Hürden. Fachlich lässt sich Bereitschaft am besten mit „Compliance“ abbilden.
Einer anderen Person vertrauen? Sich einlassen? Sich öffnen? Zulassen, dass eine andere Person dich durch einen Prozess leitet? Das ist nicht einfach. Und du verdienst großen Respekt und Anerkennung dafür, wenn du bereit bist, dich auf eine Therapie einzulassen!
Frage: Was brauchst du, damit du bereit bist dich auf eine Therapie einzulassen?
>> 2. Offenheit
Eine erfolgreiche Psychotherapie lebt von deiner Offenheit.
Offenheit bedeutet, dass du dich gegenüber deinem Therapeuten öffnen kannst. Dass du über deine Probleme, Erfahrungen, Gedanken und Gefühle sprichst. Dass du nicht zurückhältst, was ausgesprochen gehört. Dazu gehört es auch Fragen zu stellen, Feedback zu geben, Wünsche, Bedenken oder Kritik zu äußern.
Wenn du nicht bereit bist, dich zu öffnen, kann es passieren, dass die Therapie nicht gut vorangeht. Dass dein Therapeut dich nicht oder falsch versteht. Und damit an deinen eigentlichen Themen vorbeitherapiert.
Offenheit wird oft selbstverständlich erwartet. So nach dem Motto „wer in Therapie ist, muss sich auch öffnen“. Deswegen kann es sein, dass dir subtil vermittelt wird, du seist „selbst schuld“, wenn deine Therapie erfolglos bleibt. Weil du dich doch nicht öffnest. Dem ist aber nicht so.
Deine Offenheit ist nicht selbstverständlich. Sie ist ein Zeichen für deine Selbstcourage und deinen Einsatz für deine Gesundheit. Und sie ist ein Zeichen des Vertrauens.
Frage: Wofür lohnt es sich, offen zu sein in deiner Therapie?
>> 3. Vertrauen
Eines der wichtigsten „Gewürze“ für eine erfolgreiche Psychotherapie ist dein Vertrauen in den Therapeuten.
Stell dir vor, du bist innerlich misstrauisch, auf der Hut oder zumindest ängstlich und skeptisch in deiner Therapie. Das ist anstrengend für deine Psyche, denn du bist damit dauerhaft zur Wachsamkeit aufgefordert. Die Folge ist, dass du hinterfragst, bewertest und dich vielleicht verschließt. Was zur weiteren Folge hat, dass deine Therapie eher oberflächlich verläuft und dein Therapeut einfach keinen Zugang zu dir bekommt.
Vertrauen ist das A und O in der Therapie.
Deswegen ist es wichtig, zu Beginn einer Therapie eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung zu deinem Therapeuten aufzubauen. Das ist zu Beginn euer gemeinsames und wichtigstes Ziel.
Doch das Ding ist: Du musst es wollen. Oder deinem Vertrauen wenigstens eine Chance geben. Wenn du von Anfang an sagst „Vertrauen ist mein Problem, das wird nie was.“ – wird es auch nix. Oder ewig dauern, bis es was wird. Da kann sich dein Therapeut so viel Mühe geben, wie er will.
Frage: Was kannst du selbst beitragen, dass du das nötige Vertrauen zu deinem Therapeuten bekommst?
>> 4. Motivation
Therapie funktioniert am besten, wenn du wirklich motiviert bist.
Motivation bedeutet, dass du entschlossen und motiviert bist etwas zu verändern. Das wird auch als „Veränderungsbereitschaft“ bezeichnet.
Wer nicht motiviert ist, an seinen Themen zu arbeiten, sich mit eigenen Gedanken und Gefühlen zu beschäftigen und die eigene Komfortzone zu verlassen, ist besser bei einem „Handaufleger“ dran, als in der Psychotherapie.
Vielleicht funktioniert das Konzept der Esoterik deswegen so gut. Da gehst du hin und hoffst darauf, dass eine fremde Person dir durch ihr schamanisches Ritual oder ihre Seelenrückführung dein Trauma nimmt… Ja ne ist klar!
Motivation klingt als Eigenschaft wohl am plausibelsten. Immerhin willst du deinen Leidensdruck und deine Belastungen loswerden. Aber das eine ist zu sagen „Ja ich bin sowas von motiviert.“ Und etwas anderes ist es im eigentlichen Prozess tatsächlich motiviert zu sein. Vielleicht hast du die Erfahrung selbst auch schon gemacht.
Frage: Was wird dir dabei helfen im Laufe deiner Therapie trotz Hürden, Rückschläge oder Stagnation trotzdem motiviert zu bleiben?
>> 5. Eigenständigkeit
Es gibt einen Spruch, der treffend beschreibt, was mit Eigenständigkeit gemeint ist:
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
Genauso funktioniert eine erfolgreiche Psychotherapie eben nicht.
Ein Therapeut ist kein Wunderheiler und eine Therapie kein Allheilmittel. Psychotherapie ist nicht wie Schmerztablette bei Kopfschmerzen einwerfen und darauf hoffen, dass die Wirkung in 30 Minuten einsetzt.
Therapeuten sind Wegbegleiter, Unterstützer, Motivatoren, Aufklärer, Fürsorger oder Mentoren. Sie zeigen dir immer nur mögliche Wege. Gehen musst du sie selbst.
Je eigenständiger, sprich eigenverantwortlicher, du dich um Nachhaltigkeit in der Therapie kümmerst, umso besser! Konkret bedeutet es: Dein wichtigster Prozess findet außerhalb der Therapie statt. Wenn du in deinem Alltag bist und deine Erkenntnisse aus der Therapie eigenverantwortlich umsetzt. Wenn dir die Umsetzung im Alltag gelingt, wirst du mit deiner Therapie viel weiter kommen.
Frage: An welchen Punkten in der Therapie kannst du Eigenverantwortung übernehmen?
>> 6. Reflexion
In einer Therapie wirst du immer wieder an einen Punkt kommen, an dem du über dich, andere Menschen, die Therapie, deine Erfahrungen, deine Einstellungen, dein Leben usw. reflektieren musst.
Hier ein Beispiel: Es gibt Gedanken, von denen bist du felsenfest überzeugt. Seit vielen Jahren. Diese Gedanken fühlen sich nach Wahrheit an. Aber nicht jeder deiner Gedanken ist nützlich, bringt dich weiter oder entspricht der Realität. Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist es zu lernen Gedanken zu reflektieren. Genauso auch Gefühle, Verhaltensweisen und Erfahrungen.
Dank deiner Reflexionsfähigkeit wirst du schneller herausfinden, wie du deine Probleme bewältigen kannst. Was dir nützt oder dich nur in weitere Sackgassen führt.
Doch Selbstreflexion ist nicht selbstverständlich. Wenn du dich dagegen währst, wird sich dein Therapeut an dir die Zähne ausbeißen. Und die Therapie bleibt vermutlich ohne nennenswerten Fortschritt.
Frage: Wo bisher hat es dir gut geholfen über etwas zu reflektieren?
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>> 7. Beständigkeit
Beständigkeit ist ein wahres Zauberwort.
Es bedeutet, dass du an deinen Themen und an deiner Entwicklung dran bleibst.
Es reicht nicht aus, ein paar Tage oder ein paar Wochen motiviert an deinen Problemen zu arbeiten und dann wieder in alte Muster zu fallen.
Je größer deine Probleme, Belastungen oder Sorgen sind und je länger du schon bereits kämpfst, desto wichtig ist es, dass du beständig dran bleibst.
Beständigkeit sorgt ein Stück weit für Unabhängigkeit. Sie bleibt, auch wenn dein Therapeut 6 Wochen Urlaub macht, für 5 Monate krankgeschrieben ist oder deine Therapie endet.
Frage: Gibt es einen Bereich in deinem Leben, wo sich deine Beständigkeit gelohnt hat? Was könntest du davon in deine Therapie mitnehmen?
Bevor du es in den falschen Hals kriegst!
Ich stelle mir gerade vor, wie du jemand bist, der schlechte Erfahrungen mit Therapie gemacht hast. Oder jemand bist, der dem Konzept „Psychotherapie“ eher skeptisch gegenüber stehst. Und jetzt drängt sich der Gedanke auf: „Noch so eine Klugschei*erin, die meint sagen zu müssen ICH WÄRE dafür verantwortlich, dass meine Therapie der letzte Mist war.“
Stop. Nein! Das will ich nicht.
Wenn du schlechte Erfahrungen mit Psychotherapie gemacht hast, wird es dafür viele Gründe geben. Und pauschal sollte keiner sagen „Dann bist du eben als Patient selbst schuld. Dann hast du es nicht genug gewollt.“
Wenn deine Erfahrungen mit Therapie bisher eher negativ waren, heißt es nicht zwangsläufig, dass du deiner Therapie zu wenig „Würze“ verpasst hast.
Mit diesem Artikel will ich dir zeigen, welche deiner Eigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen eine erfolgreiche Psychotherapie deutlich wahrscheinlicher machen.
Teilweise wird diese „Würze“ von Patienten vorausgesetzt oder selbstverständlich erwartet. Aber nicht ausreichend thematisiert. Deswegen will ich dich möglichst gut darüber aufklären, welche Faktoren zu einer erfolgreichen Psychotherapie gehören.
Wie sich diese „Würze“ in der Praxis realisiert, hängt natürlich nicht allein und ausschließlich von dir ab.
Nicht du alleine bist dafür verantwortlich in der Therapie motiviert zu bleiben, Vertrauen in den Therapeuten zu gewinnen und dich beständig um deine Themen zu kümmern.
Doch es hilft, wenn du über diese Eigenschaften Bescheid weißt. Wenn du in Ruhe darüber nachdenken kannst. Genau darum geht es.
Dieser Artikel ist nicht dazu gedacht dich zu belehren. Ich will dich zum Nachdenken anregen, wie du deine Therapie effektiver für dich machen kannst. Wie du weniger das wehrlose „Fähnchen im Wind“ bist, das passiv dem Therapiegeschehen folgt. Sondern wie du als erwachsener, mündiger Mensch positiven Einfluss auf deine Psychotherapie nehmen kannst.
Zuletzt
Ich schreibe hier aus meinen Erfahrungen und gebe meine persönliche Meinung wieder. Das heißt nicht, dass ich die Weisheit mit Löffeln gegessen habe. Es kann sein, dass du ganz anders darüber denkst. Oder andere Erfahrungen gemacht hast. Und das ist okay so.
Ich danke dir für deine Zeit und Aufmerksamkeit!
Tatjana
Du siehst hier Fotos von @Katherine Hanlon und @Tamara Gak von Unsplash.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Hallo,
mit der Offenheit in Psychotherapien habe ich unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Ich kann offen sein, wenn ich das Gefühl habe, dass die Frage mich nicht schutzlos dastehen lassen oder überrumpeln soll. Fragen können persönlich sein ohne ein unangenehmes Gefühl hervorzurufen, wenn der Sinn ersichtlich ist oder der Grund für die Frage erklärt wird. Wenn ich den Eindruck habe etwas persönliches von mir preisgegeben zu haben, das dann „gegen“ mich verwendet wird, führt das dann zu weniger Offenheit bei mir. Manchmal muss auch erst der richtige Zeitpunkt kommen um mit einer Frage etwas anfangen zu können oder sie nicht als aufdringlich anzusehen. Wichtig finde ich auch nicht in eine Schublade gesteckt zu werden. Bei der Psychotherapeutin bei der ich jetzt in Therapie bin habe ich ein gutes Gefühl. Sie sagt, was sie meint. Es gibt keine versteckte Seite in dem was sie sagt oder fragt. Das ist sehr hilfreich weil ich in den Gesichtern anderer Menschen nicht richtig „lesen“ kann und mich auf das verlassen muss was sie sagen.