Ambulanten Psychotherapie – ein Wort, ein Mysterium? Wüsstest du, was genau sich hinter den beiden Worten verbirgt und welche Form der „Heilmethode“ Psychotherapie ist? In diesem Artikel bekommst du einen Überblick darüber, was ambulante Psychotherapie ist.
Inhaltsverzeichnis
Einige Zahlen im Überblick
Jedes Jahr sind etwa 27,8 % der erwachsenen Menschen in Deutschland von einer psychischen Störung betroffen. Das sind in etwa 17,8 Millionen Menschen, die in die Berechnung der Statistik eingeflossen sind. Die Dunkelziffer darf an dieser Stelle nicht vergessen werden.
2017 standen psychische Störungen an Platz zwei in der Gruppe der Krankheitsursachen für Arbeitsunfähigkeit bei Erwachsenen (ohne Rentner). Tendenz für die Folgejahre steigend.
Die Dauer der Fehltage im Falle einer psychischen Störung liegt im Schnitt bei 38,9 Tagen – über 5 Wochen.
Über die Kosten, die dabei entstehen, wollen wir hier gar nicht erst reden. Viel wichtig sind die persönliche Belastung und der Leidensdruck, unter denen Betroffene stehen.
Wenn du dich selbst zu dieser Gruppe von Menschen zählst, die unter psychischen Problemen leiden, wirst du genau wissen, was mit Leidensdruck und dem Verlust von Lebensqualität gemeint ist. Kein Wunder also, dass professionelle Behandlungsangebote so wichtig sind, wie noch nie.
Was ist eine Psychotherapie?
Eine Psychotherapie ist eine „Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist“. So wird Psychotherapie sei 1999 im Psychotherapeutengesetz definiert.
Sprich, eine Psychotherapie ist richtig für dich, wenn folgende Punkte auf dich zutreffen:
- Du leidest unter bestimmten „Symptomen“ so sehr,
- dass diese deinen geregelten Tagesablauf deutlich belasten oder stören und
- du unter Verlust von Lebensfreude, Wohlbefinden und Vitalität leidest, dabei jedoch merkst,
- dass du unter enormen Druck stehst weiterhin „durchhalten“ zu müssen,
- deine Lebensbereiche wie Beruf, Familie, Beziehung oder dein Selbstbild darunter leiden und
- du merkst, dass du alleine mit deinen Problemen nicht mehr zurechtkommst.
Die „Symptome“ unter denen du leidest, können emotional oder/und kognitiv sein, genauso wie sie dein Erleben oder Handeln betreffen können. Hier einige Beispiele:
- Angstzustände, die dir das Leben schwer machen
- Panikartiges Erleben von Angst, das entweder in bestimmten Situationen aufkommt oder völlig überraschend über dich hineinbricht
- Intensive Traurigkeit oder ein Gefühl von innerer Leere
- Konzentrationsprobleme, Gedächtnisprobleme und fehlender Antrieb
- Schlafprobleme
- Selbstverletzendes Verhalten oder Probleme bezüglich deiner Ernährungsweise
Eine Indikation für eine Psychotherapie liegt vor, wenn der Verdacht besteht, dass dein Zustand auf eine psychische Störung bzw. Erkrankung hinweist.
Eine ambulante Psychotherapie dient also der Linderung, Besserung oder Heilung eines psychischen (und körperlichen) Zustandes, der dir zu schaffen macht.
Wissenswert für dich wäre auch:
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Die Ziele einer Psychotherapie sind:
- Linderung oder Überwindung einer seelischen Störung oder Krankheit,
- Entgegenwirkung einer Verschlimmerung,
- Grundsätzliche Linderung von Beschwerden,
- Stabilisierung des emotional-kognitiven Zustandes,
- Aufbau und Förderung von Ressourcen,
- Kompetenzerweiterung im Umgang mit belastenden Situationen, Stress, etc.
Vor Beginn einer Therapie muss ein klinisch relevantes Krankheitsleiden festgestellt werden. Dies wird anhand der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD, aktuelle Version: ICD-10), Kapitel F, Unterkapitel F4, F5 und F6 entschieden.
Eine Psychotherapie kann erst dann begonnen werden, wenn der Therapeut eine Diagnose stellen kann und sein Gutachten bei der Krankenkasse durchgewunken wird. Die Ausnahme ist, wenn du dir eine private Psychotherapie leistest und die Kosten für diese selbst trägst.
Wenn du also unter bestimmen Problemen leidest, wie z.B. einer Beziehungskrise, Problemen am Arbeitsplatz, einer Sinnkrise oder einem Familienstreit, ist das noch kein Anlass für eine Psychotherapie. Es kann aber zum Anlass werden, wenn diese Probleme so belastend werden, dass sie einen gewissen „Krankheitswert“ für dich erlangen und dein Therapeut dein Probleme ausreichend in seinem Antrag vor der Krankenkasse begründen kann.
Ob du in der Psychotherapie richtig bist, klärt sich bereits in der psychotherapeutischen Sprechstunde oder spätestens in den probatorischen Sitzungen.
Wer darf eine ambulante Psychotherapie anbieten?
Eine ambulante Psychotherapie unterliegt in Deutschland zahlreichen Regelungen und darf nur von den folgenden Berufsgruppen durchgeführt werden:
- Psychologische Psychotherapeuten
- Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
- Folgende Ärzte-Gruppen:
- Fachärzte, deren Ausbildung Psychotherapie oder Psychiatrie umfasst
- Ärzte mit Zusatz-Weiterbildung in Psychotherapie
- Weitere Ärzte, die Psychotherapie anbieten
- Therapeuten mit Psychotherapie-Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz:
- Diplom-Psychologen mit Heilkunde-Erlaubnis
- Heilpraktiker für Psychotherapie
- (Voll-) Heilpraktiker
Diese Berufsgruppen haben eine fachliche Ausbildung, die es ihnen erlaubt Heilkunde auszuüben. Ohne die entsprechende Zulassung ist es in Deutschland verboten Dienstleistungen anzubieten, die die Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen beinhaltet.
Was bedeutet ambulant?
Eine ambulante Psychotherapie bieten Fachärzte, Psychotherapeuten oder Heilpraktiker in einer eigenen niedergelassenen Praxis an. Meistens haben diese Fachleute eine Kassenzulassung, sodass die Kosten deiner Therapie von deiner Krankenkasse übernommen werden können (z.B. Fachärzte und Psychotherapeuten). Einige dieser Fachleute haben Privatpraxen und arbeiten unabhängig von Krankenkassen (z.B. Heilpraktiker). Hier trägst du die Kosten deiner Therapie selbst.
Ambulant bedeutet , dass du ganz normal weiterhin zur Arbeit gehen, deinen privaten Erledigungen nachgehen kannst und zwischendurch – im Schnitt ein Mal die Woche – deinen Therapeuten in seiner Praxis aufsuchst.
Für eine ambulante Psychotherapie musst du also nicht für mehrere Wochen in eine Klinik gehen. Das wäre eine stationäre Therapie.
Vorteil der ambulanten Psychotherapie ist, dass du zu Hause bleibst und das Gelernte gleich in deiner gewohnten Umgebung ausprobieren kannst.
Welche Formen der ambulanten Psychotherapie zahlt die Krankenkasse?
Spannend wird die ambulante Psychotherapie für dich, wenn du gesetzlich krankenversichert bist und dir wünschst, dass deine Krankenkasse die Kosten deiner Therapie übernimmt.
Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten für folgende drei Therapieformen:
- Analytische Psychotherapie (auch Psychoanalyse genannt)
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Verhaltenstherapie
Diese Therapieformen gelten als wissenschaftlich anerkannt und werden eingestuft zu Richtlinienverfahren.
Auch die Systemische Therapie wurde wissenschaftlich anerkannt und zu Richtlinienverfahren ernannt. Noch müssen Patienten die Kosten für eine systemische Therapie selbst tragen. Doch im Verlauf des Jahres 2019 soll die systemische Therapie auch in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen werden.
Auch die Gesprächstherapie gilt als wissenschaftlich anerkannt, die Kosten müssen aber auch hier noch privat getragen werden.
Was passiert in einer abulanten Psychotherapie?
In einer Therapie schaust du dir gemeinsam mit deinem Psychotherapeuten deine aktuelle Situation und wenn nötig auch deine Lebensgeschichte an. Es werden Belastungsfaktoren, Konflikte oder traumatische Erfahrungen zusammen bearbeitet.
Entsprechend der klinischen Diagnose bzw. deines Zustandes und deiner biographischen Geschichte, werden Therapieziele formuliert. Diese Ziele können in der Verarbeitung, Bewältigung, im Ressourcenaufbau, in der Symptomlinderung und damit in der Wiederherstellung deiner psychischen (und körperlichen) Gesundheit und Leistungsfähigkeit liegen. Ein wichtiger Unterschied zur psychiatrischen Behandlung liegt darin, dass in der Psychotherapie eine psychische Störung oder Erkrankung nicht mit Medikamenten behandelt wird.
Anhand der Ziele erarbeitet dein Psychotherapeut Lösungsansätze für dich. Dabei übernimmt der Therapeut ein Stück weit die Verantwortung für dich.
Du kannst dir das so vorstellen, dass der Psychotherapeut einen gewissen Therapieplan für dich entwickelt, um dich bestmöglich aus deinem Problem heraus zu begleiten. Manche Therapeuten halten sich sehr streng an ihre Pläne, andere sind deutlich flexibler und arbeiten mehr Hand in Hand mit ihren Patienten zusammen. Dies ist von Therapeut zu Therapeut unterschiedlich und hängt auch von der Therapieform ab, mit der der Therapeut arbeitet.
Wichtig für dich zu wissen ist, dass dein Therapeut entsprechend handeln darf, wenn er dein seelisch-körperliches Wohl oder das Wohl anderer Menschen gefährdet sieht. Das trifft z.B. im Falle von akuten Selbstmordgedanken zu oder wenn der Anlass besteht, dass das Wohl Dritter in Gefahr ist.
Generell gilt, dass die Therapie eine wirksame Hilfe zur Selbsthilfe sein soll. Doch leider musst du dich in der Regel einige zeit gedulden, bis du einen Platz für eine Psychotherapie bekommst. Was du tun kannst, um diese lange Wartezeit gut zu überstehen, erfährst du in meinem E-Book „SOS-Guide“.
Danke für deine Aufmerksamkeit!
Tatjana
Quellen:
https://www.bkk-dachverband.de/publikationen/bkk-gesundheitsreport.html
Titelbild @pepperminting
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ich bin seit fast einem Jahr arbeitsunfähig wegen Depressionen. Eine Sitzung pro Monat bei einem Psychologen reicht seiner Meinung nach nicht aus, deshalb riet er mir, einen Psychologen für eine Ambulante Psychotherapie zu suchen. Dass sich dies so dermaßen schwierig gestalten würde, wsr mir nicht klar. Wenn man einen Termin bekommt (online gebucht), dann wird man umgehend darüber in Kenntnis gesetzt, dass es sich bei diesem Termin lediglich um ein Gespräch handelt und kein weiterer Termin wegen zu hoher Auslastung vergeben werden kann. Ich habe es auch über die Servicehotline 116117 versucht, leider gestaltet sich die Suche dort auch als nicht gerade empfehlenswert und hilfreich. Es kann doch nicht im Sinne der „Heilung“ sein, dass die einzige Alternative ein Klinikaufenthalt sein sollte. Ich habe morgen wieder meinen monatlichen Termin bei meinem Psychologen, der mir wohl leider auch keine ambulante Therapie sondern eben nur eine 35 minütige Gesprächstherapie anbieten kann. Das ist sehr schade, da er nach der Schilderung meiner Symptome zunächst bei meiner Hausärztin, mein erster Ansprechpartner in einem intensiven analytischen Erstgespräch ist/war. Ich werde es heute noch einmal unter der 116117 direkt telefonisch versuchen und hoffe, dass mir dieses mal geholfen werden kann.
Ich bin seit fast einem Jahr arbeitsunfähig wegen Depressionen. Eine Sitzung pro Monat bei einem Psychologen reicht seiner Meinung nach nicht aus, deshalb riet er mir, einen Psychologen für eine Ambulante Psychotherapie zu suchen. Dass sich dies so dermaßen schwierig gestalten würde, wsr mir nicht klar. Wenn man einen Termin bekommt (online gebucht), dann wird man umgehend darüber in Kenntnis gesetzt, dass es sich bei diesem Termin lediglich um ein Gespräch handelt und kein weiterer Termin wegen zu hoher Auslastung vergeben werden kann. Ich habe es auch über die Servicehotline 116117 versucht, leider gestaltet sich die Suche dort auch als nicht gerade empfehlenswert und hilfreich. Es kann doch nicht im Sinne der „Heilung“ sein, dass die einzige Alternative ein Klinikaufenthalt sein sollte. Ich habe morgen wieder meinen monatlichen Termin bei meinem Psychologen, der mir wohl leider auch keine ambulante Therapie sondern eben nur eine 35 minütige Gesprächstherapie anbieten kann. Das ist sehr schade, da er nach der Schilderung meiner Symptome zunächst bei meiner Hausärztin, mein erster Ansprechpartner in einem intensiven analytischen Erstgespräch ist/war. Ich werde es heute noch einmal unter der 116117 direkt telefonisch versuchen und hoffe, dass mir dieses mal geholfen werden kann.
Hallo,
vielen Dank für deine Anfrage. Es tut mir Leid, in welcher komplizierten Situation du dich befindest. Eine so lange Arbeitsunfähigkeit bei der Diagnose ist allarmierend! Und leider muss ich dir sagen – unser Gesundheitssystem ist nicht darauf ausgerichtet zu „heilen“, sondern gesundheitliche Probleme zu „verschieben“. Auch wenn ich für meine offenen Worte Kritik und viel Gegenwind von eben unserem System bekomme, spreche ich es aus. Als Betroffene musst du in unserem System alles erdenklich mögliche dafür tun, um rechtzeitig gesehen zu werden, damit dir entsprechend geholfen werden kann. Das erfordert inzwischen nicht nur Zeit und Energie, sondern eine klare Form der Selbstachtung und eine gewisse Dreistigkeit, sich nicht immer wieder vertrösten und abschieben zu lassen.
Dass du die 116117 kontaktiert hast, ist gut! Per Gesetz muss dir innerhalb von 4 Wochen ein Termin organisiert werden, bei dem sich dann das weitere Vorgehen entscheiden muss. Hast du schon mit deiner Krankenkasse gesprochen und denen Druck gemacht? Du bekommst doch bestimmt Krankengeld. Es MUSS im Sinne deiner Krankenkasse sein, dir möglichst schnell zu helfen… Ansonsten empfehle ich dir meinen SOS-Guide, in dem ich noch auf viele weitere Möglichkeiten eingehen professionelle Hilfe zu bekommen. Krankenhaus ist eine Option von vielen. Aber nicht die einzige. Überlege dir, was du gerne erreichen möchtest:
Sind Stabilisierung und Verhinderung einer weiteren Verschlimmerung deiner Depression dabei?
Möchtest du Strategien lernen, um deinen Alltag besser zu strukturieren oder mit den Symptomen deiner Depression besser umzugehen?
Oder gibt es noch weitere konkrete Wünsche…?
An deinen Wünschen kannst du dich an den Empfehlungen in meinem SOS-Guide orientieren und ich rate dir ganz ehrlich vieles auszuprobieren. Online wie offline.
Ich stimme dem zu, dass ein Termin im Monat deutlich zu wenig ist und du dringend mehr Hilfe benötigst. Vor allem sind 35 Minuten auch leider nicht ausreichend für eine angemessene Stabilisierung oder Therapie.
Alternativ kann ich dir nur noch empfehlen dir mein Angebot genauer anzuschauen. Es kann sehr sinnvoll sein jemanden professionell auf deine Gesamtsituation blicken zu lassen.
Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und drücke dir die Daumen, dass du in den nächsten 4 Wochen ein Erstgespräch und dann hoffentlich mindestens eine Akuttherapie bekommen wirst oder eine andere Form der Hilfe findest, die dir gut tut!
Tatjana
Ich finde es schade, dass nur diese drei bzw. vier Therapieformen von der Kasse übernommen werden. Ich habe mich jetzt auch länger mit verschiedenen Therapieformen beschäftigt. Die humanistische Psychotherapie hat mir besonders gut gefallen. (https://www.thalamus-stuttgart.de/heilpraktikerausbildung/ausbildungsbereich/Psychotherapie_Berufliche_Qualifikation_zumzur_Heilpraktikerin_Psychotherapie__3)