Dieser Artikel ist für Angehörige von Menschen mit psychischen Problemen oder sogar psychischen Erkrankungen. Ich danke an dieser Stelle dem Kommentator unter meinem Blogartikel „Was kann eine stationäre Therapie für mich leisten?“, der auf dieses Thema öffentlich aufmerksam macht und damit anspricht, was sich so viele Angehörige fragen. Lass uns hier der Frage nachgehen, wie du einer nahestehenden Person aus deiner Familie oder deinem Freundeskreis beibringen kannst, dass es sinnvoll oder sogar nötig wäre sich stationär behandeln zu lassen.
Inhaltsverzeichnis
Der Kreis des Leides ist größer, als es nach außen hin wirkt
Interessanterweise beherrscht unsere Gesellschaft folgendes verqueres Bild über psychisch kranke Menschen:
Es sind vom Leben gepeinigte Personen, wahre Pechvögel, die unter irgendeiner Last zusammengebrochen sind oder großes Unglück erleben mussten. Oder es sind labile Personen, die der (harten) Realität des Lebens aus welchen Gründen auch immer nicht gewachsen sind. Oder aber es sind einfach ganz spezielle und skurrile Persönlichkeiten, die Schwierigkeiten haben, in diesem Leben konform Fuß zu fassen, sondern mit ihrer Sonderlichkeit aus der Reihe fallen.
Eines haben diese Personenbilder gemeinsam: Das typische Bild eines psychisch kranken Menschen betrifft eine einzelne Person, die sozusagen eine Art Ausreißer von der Norm darstellt. Was leider in diesem Bild fehlt, ist der Bezug zum sozialen Netz.
Es ist nicht nur eine einzelne, vom Rest des (sozialen) Lebens betroffene Person, die unter psychischen Problemen oder einer psychischen Erkrankung leidet. Psychisches Leid betrifft auch das nahestehende Umfeld. Die Familie. Die Freunde. Manchmal sogar die Arbeitskollegen.
Unter psychischen Belastungen leidet nicht nur die direkt betroffene Person, sondern auch die Personen, die diesem Menschen nahestehen.
Je länger psychische Belastungen anhalten, desto größer wird die Last nicht nur für die direkt betroffene Person, sondern auch für deren Angehörige.
Warum stationäre Therapie?
Angenommen du hast jemanden in deinem nahen Umfeld, die oder der an psychischen Problemen oder einer psychischen Erkrankung leidet und sich bereits in ambulanter Psychotherapie befindet. Das muss leider nicht heißen, dass diese Person und ihr Umfeld durch die Therapie tatsächlich (die nötige) Entlastung oder Besserung erleben.
Manchmal stagniert der Prozess in der ambulanten Therapie. Manchmal reicht eine ambulante Therapie allein einfach nicht mehr aus, um bei dem Ausmaß der Probleme, dem Schweregrad der Erkrankung oder der komplexen Lebenssituation der betroffenen Person weiterzuhelfen. Ja, manchmal reicht es einfach nicht aus, ein Mal die Woche zur ambulanten Therapie zu gehen…
Eine stationäre Therapie ist eine gute Chance in einem gebündelten Zeitraum eine intensive, multimodale und professionelle Therapie zu erhalten und dabei gleichzeitig vom Alltagsleben entlastet zu werden.
Eine stationäre Therapie kann manchmal eine Art Rettungsinsel sein, auf die sich Menschen flüchten, um wieder klarer denken, leichter fühlen und besser handeln zu können.
Doch bitte verwechsle nicht eine stationäre Therapie an einer psychosomatischen Klinik mit einem Aufenthalt in einer (geschlossenen) psychiatrischen Einrichtung. Wenn ich von stationärer Therapie spreche, meine ich die Behandlung an einer psychosomatischen Klinik.
Lesenswert an dieser Stelle ist auch:
Was kann eine stationäre Therapie für mich leisten?
Tagesklinik oder stationäre Psychotherapie? Welche Vorteile und Nachteile gibt es?
Wann muss ich in eine stationäre Therapie? – 13 Gründe für eine stationäre psychosomatische Therapie
Meine Empfehlungen
Hier meine Empfehlungen, wie du im ersten Schritt geschickt ein Gespräch in Richtung stationäre Therapie einfädeln kannst und im zweiten Schritt gezielt eine stationäre Therapie anbahnen kannst:
1. (Werde), Sei und bleibe ehrlich
Wenn jemand aus unserem Umfeld leidet, tendieren wir oft dazu, uns selbst zurückzunehmen. Wir nehmen selbstverständlich Rücksicht, wollen entlasten und helfen. Wir wollen, dass es dieser Person besser geht. Es passiert manchmal, dass wir anfangen, diese Person mit Samthandschuhen anzufassen. Sozusagen den Schongang einlegen, weil wir vielleicht verunsichert sind, wie wir mit dieser Person umgehen sollen oder einfach ratlos sind und nicht wissen, warum es dieser Person so schlecht geht. Wir wollen nichts falsch machen und keinesfalls dazu beitragen, dass es dieser Person durch uns noch schlechter geht. Denn in Wahrheit ist Leid ansteckend und wir wollen nicht, dass dieses Leid noch größere Kreise zieht.
Doch Samthandschuhe helfen nicht weiter! Das heißt nicht, dass du all deinen Frust, deinen Ärger, deine Hilflosigkeit und deine Erschöpfung in einen explosiven und konfrontativen Wutausbruch packen solltest. Es heißt, dass du die Einstellung bewahren solltest, trotz all der Schwierigkeiten einen ehrlichen Umgang zu pflegen.
Ehrlichkeit bedeutet z.B.:
- Du darfst der betroffenen Person deine Eindrücke über die Entwicklung ihres Zustandes schildern. Zum Beispiel darfst du sagen, dass dein Eindruck der ist, dass die Person in der ambulanten Therapie stagniert oder du eine Verschlechterung der Problematik wahrnimmst.
- Du darfst über deine Eindrücke und deine Gefühle sprechen. Dass du dich vielleicht ratlos, hilflos, überfordert, sehr besorgt oder sogar ärgerlich und frustriert fühlst. Dass du dir von Herzen etwas viel Besseres für die betroffene Person wünscht und es dir das Herz bricht, in welcher Situation diese Person steckt.
- Du darfst sagen, wie du dich mit der Gesamtsituation fühlst und welche Auswirkungen es auf dich oder euer Zusammenleben hat. Dass es dich selbst so runterzieht, dass dir die Lust am Alltag fehlt, dass dir die Kraft zum durchhalten oder zum ausgleichen fehlt, dass du belastet bist und selbst leidest. Du leidest anders, aber du leidest eben doch mit. Genauso darfst du auch ansprechen, was sich im Alltag sonst ändert, welche größeren Hürden entstehen und welche Risiken du für die weitere Zukunft erkennst.
- Du darfst offen über deine eigene Recherche sprechen, ob zu der psychischen Erkrankung oder zur stationären Psychotherapie. Erzähle davon, dass du dir selbst Hilfe suchst, weil du bestmöglich helfen willst. Du kannst z.B. auf diesen Artikel verweisen und darfst mit der betroffenen Person diesen Artikel zusammen durchgehen: Wann muss ich in eine stationäre Therapie? – 13 Gründe für eine stationäre psychosomatische Therapie. Ihr dürft auch darüber diskutieren, ob eine vollstationäre Therapie oder eine Tagesklinik eine gute Alternative wäre: Tagesklinik oder stationäre Psychotherapie? Welche Vorteile und Nachteile gibt es?
2. Suche ein offenes Gespräch in angenehmer Atmosphäre
Nimm dir vor ein offenes, ehrliches, klärendes, aber angenehmes Gespräch mit der betroffenen Person zu suchen. Es hilft nicht, wenn du diesen Artikel liest und dann völlig übereilt die betroffene Person damit konfrontierst, dass alles total kacke läuft und du am liebsten hättest, dass die Person in einer Woche stationär geht. Wenn du jemandem die Pistole auf die Brust setzt, ist das Risiko zu hoch, dass du unverstanden bleibst und lediglich auf Widerstand stößt.
Überlege, was du gerne sagen möchtest und plane eine Verabredung. Bei welcher Aktivität könnt ihr gut sprechen? Hier ein paar Beispiele:
– gemeinsames Kochen
– Kuchenessen am Nachmittag oder einfach Kaffeetrinken
– Grillen
– Spaziergang im Wald
– gemeinsames Handwerken
– zusammen im Internet surfen (hier ganz zufällig z.B. auf diesem Blog)
– etc.
Entscheide nach euren persönlichen Präferenzen. Wie könntest du für ein ernstes und persönliches Gespräch eine angenehme Atmosphäre erschaffen? Bereite diese Atmosphäre vor und vor allem sortiere dich selbst innerlich. Überlege dir, was du sagen willst. Es ist hilfreich, wenn du ruhig, sachlich, mitfühlend, aber auch ernst und eben sortiert wirkst.
Beende dieses Gespräch möglichst auch angenehm. Wechselt am Ende das Thema auf etwas neutrales. Und wenn dir danach ist, bedanke dich auch für die Offenheit und Ehrlichkeit zwischen euch, stärke durch deine Ehrlichkeit und Wertschätzung eure aufrichtige Verbindung. Damit sorgst du dafür, dass sich die betroffene Person zukünftig eher trauen wird auf dich zuzugehen.
3. Suche eine weitere Person zur Unterstützung
Diese Empfehlung mag seltsam klingen, aber aus der Praxis weiß ich, dass es hilfreich ist, wenn du dir eine Verbündete oder einen Verbündeten suchst. Nun klingt das gleich nach strategischer Kriegsführung und soll es natürlich nicht sein. Jedoch ist meine Erfahrung folgende:
Wenn du dich zu zweit mit der betroffenen Person unterhältst, kann es sein, dass du mit Argumenten überzeugt wirst, warum eine stationäre Therapie nicht nötig sei. Oder du wirst mit Emotionen der Person so übermannt, dass du am Ende ganz ratlos bist und das Gespräch bereust. Oder aber du wirst in eine Rechtfertigungssituation gebracht, wie du nur so etwas verlangen kannst und wirst ebenfalls am Ende das Gefühl haben gescheitert zu sein.
Es kann sein, dass das Gespräch tendenziell in eine unangenehme Richtung abdriftet und hier ist es sehr hilfreich eine dritte, vermittelnde, die positive Atmosphäre stützende Person dabei zu haben. Ein weiteres Familienmitglied. Jemanden aus dem Freundeskreis. Jemanden, der ebenfalls unter der Gesamtsituation leidet.
Sprecht euch ab. Verabredet euch worauf ihr achten wollt. Zum Beispiel Rechtfertigungen oder unnötige Totschlagargumente vermeiden, keinen unnötigen Druck aufbauen, einander zu unterstützen und mal das Wort ergreifen, wenn unangenehme Stille aufkommt.
4. Biete deine aktive Mithilfe an
Es heißt nicht umsonst „psychische Belastungen“. Die psychische Last und der Leidensdruck hinter psychischen Problemen und Erkrankungen sind enorm hoch. Betroffenen Menschen fällt es oft schwer, einen geregelten Alltag aufrechtzuerhalten, den nötigen Antrieb für unangenehme oder bürokratische Erledigungen zu finden und die Motivation hochzuhalten aktiv handeln zu wollen.
Angenommen du schlägst eine stationäre Therapie vor und die Reaktion ist verhalten, ja sogar kritisch oder ablehnend. Das muss nicht heißen, dass die betroffene Person nichts von deinem Vorschlag hält oder nicht einsieht, wie ernst die Lage ist. Es kann sein, dass sie noch Vorbehalte gegenüber der stationären Therapie hat oder sich schlichtweg überfordert, hilflos oder völlig kraftlos fühlt. Allein die Vorstellung sich auch noch um eine stationäre Therapie kümmern zu müssen, kann ganz schön belastend sein, wenn die Kraft, der Antrieb oder die Motivation oder Hoffnung eh schon fehlen.
Überlege dir bereits vor dem Gespräch, wie du aktiv helfen könntest. Kannst du bestimmte Telefonate oder Recherche übernehmen? Kannst du die Person fahren oder bei Kofferpacken helfen?
Frage auch konkret, welche Hilfe sich die betroffene Person wünscht. Ermutige die Person deine Hilfe in Anspruch zu nehmen und gib zu verstehen, dass am Ende ihr alle von dem Schritt in die stationäre Behandlung profitieren könntet. Es ist also nicht egoistisch Hilfe anzunehmen… 😉
5. Halte konkrete Handlungsschritte fest
Zu einer sofortigen Entscheidung für eine stationäre Therapie kannst du niemanden zwingen. Solltest du auch nicht. Eine Bedenkzeit steht jedem zu und ist nur gerecht. Was du aber tun kannst, ist deutlich machen, dass du dieses Thema zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder aufgreifen wirst. Beispiel:
Du unterhältst dich am Wochenende über das Thema mit der betroffenen Person. Dann gib ihr zu verstehen, dass du am Samstag drauf nochmal das Gespräch dazu suchen wirst. Sollte dann etwas dazwischen kommen, lass nicht locker. Bleib dran und gib der Person zu verstehen, dass du wie ein Fels in der Brandung auf eine Entscheidung wartest.
Der Hintergrund dazu liegt in der Tendenz zur Vermeidung. Das Ziel sollte ja sein, dass ihr euch nicht nur über die Situation und eine mögliche stationäre Therapie austauscht, sondern aktiv überlegt, was getan werden kann, um zur Verbesserung der Situation beizutragen. Was also auf dem Plan steht ist:
– Eine Entscheidung pro oder contra stationäre Therapie
– Einleitung der nötigen Schritte für die stationäre Therapie
– Alternative Handlungsschritte, wenn gegen eine stationäre Therapie entschieden wird
– Zeitraum, in dem das Thema erstmal beiseitegelegt wird, um dann wieder aufgegriffen zu werden (z.B. wenn eine Besserung nicht eintritt)
– Wer kümmert sich um was und wann sprecht ihr über die Resultate?
– Etc…
Je konkreter gesprochen und geplant wird, desto wahrscheinlich ist es, dass am Ende auch wirklich etwas Konstruktives passiert.
So schräg es klingt, aber ihr dürft auch Notizen machen oder euch gemeinsam eine Art Checkliste anlegen. 😉
6. Kontaktiere notfalls behandelnde Therapeuten/Ärzte
Diese Empfehlung ist mit Vorsicht zu genießen, dennoch möchte ich sie aussprechen.
Angenommen du weißt, dass die betroffene Person in ambulanter Therapie ist oder z.B. regelmäßig zum Psychiater geht. Dann sprich bitte mit dieser Person ab, dass du der Therapeutin bzw. dem Therapeuten ein Schreiben mitgeben willst, um deine Eindrücke der Situation zu schildern. Die betroffene Person darf, wenn du magst und es wichtig ist, den Inhalt wissen. Entscheide selbst, was hier besser wäre.
Verfasse einen sachlichen, aber ehrlichen Brief, in dem du deine Sorgen und Ängste, aber auch deine Belastungen schilderst und darum bittest über die Möglichkeit zur stationären Therapie zu sprechen.
Was dann in der Therapie bzw. im Termin passiert, weißt du nicht, aber zumindest weißt du, dass du etwas unternommen hast und auf das Thema aufmerksam gemacht hast. Auch das ist wichtig!
7. Suche einen „Sündenbock“ außen, wenn deine Pläne fehlschlagen
Angenommen du hältst dich an meine Empfehlungen und am Ende kommt nur Bockmist dabei heraus. Du stößt auf Widerstand, Kritik, Ablehnung oder fühlst dich am Ende total mies und erfolglos… Dann verweise bitte die betroffene Person auf eben diesen Blogartikel.
Und warum?
Weil du zeigen darfst, dass du ratlos warst, dich hilflos gefühlt hast, selbst Unterstützung gesucht hast. Weil du helfen willst, weil dir die Person am Herzen liegt, weil du mitleidest. Und dann bist du hier gelandet und hast dich entschieden das Risiko einzugehen und ein Gespräch zu suchen. Du hast es versucht. Du bist aktiv geworden und hast etwas unternommen. Ja, es mag sein, dass es doof gelaufen ist, aber du hast es nur gut gemeint. Und du hast dir dabei meine Hilfe geholt, die vielleicht nicht so zielführend war, aber hey… dann waren meine Empfehlungen schuld und nicht dein Bemühen!
Es ist manchmal besser sich jemand neutrales zu suchen, den man schimpfen kann, um die vertrauensvolle Beziehung zu wahren. Ich bin gerne die Zielscheibe des Schimpfens, weil ich weiß, dass ihr durch eine schwierige Zeit geht!
Ich wünsche euch alles Gute und danke euch für eure Zeit und Aufmerksamkeit!
Du siehst hier ein Bild von @priscilladupreez, gefunden auf Unsplash.
8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo Tatjana,
erst einmal vielen lieben Dank für deinen tollen Blog.
Ich stehe aktuell vor dem Problem, das meine ambulante Therapeutin mir dringend empfiehlt, stationär in eine psychiatrische Klinik zu gehen (Ich weiß diese klammerst Du immer aus, aber vielleicht kannst Du mir trotzdem einen Rat geben). Ich bin bei Ihr wegen einer mittleren bis schweren Depression im Zusammenspiel mit einer Sozialphobie.
Hier konnte Ich auch gute Fortschritte machen. Dann ist leider Anfang dieses Jahres meine Partnerin komplett überraschend Verstorben. Dies hat mich komplett aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie hat mir dann damals auch dringend zu einer stationären Aufnahme geraten. Wir haben uns dann auf eine Tagesklinik einigen können. Die Therapien dort haben mir leider nichts gebracht. Ich war dann wieder ambulant bei Ihr. Jetzt ist meine Stimmung wieder auf dem 0-Punkt und Ich soll halt jetzt möglichst schnell stationär gehen. Aber was sollen mir Therapien helfen, die schon einmal nichts gebracht haben. Egal ob ich jetzt in der Klinik schlafe oder nicht.
Zumal habe ich Angst das ich wenn ich dort ehrlich von allen Dingen berichte, nicht mehr frei die Therapie abbrechen kann sondern aus „Fürsorgegründen“ bleiben muss. Und das ist das aller letzte was ich möchte.
Können Sie mir hier zu etwas raten ?
Hallo,
ich danke Dir für Deine ehrliche Anfrage und Deine Ehrlichkeit. Es tut mir so Leid, in welch schwieriger Lage Du Dich befindest! Weil meine Antwort persönlich ausfällt, habe ich entschieden Dir auch direkt persönlich an die angegebene E-Mail-Adresse zu schreiben. ich hoffe das ist Okay. Du müsstest meine E-Mail auch schon in Deinem Postfach finden.
Alles Gute,
Tatjana
Was bekommt man für solche Werbetexe für die Psychoindustrie?
Auf diesen Kommentar habe ich gewartet. 😀
Schlüsseln wir mal auf:
1. Was ist eigentlich „Psychoindustrie“? Das finde ich wirklich spannend und hätte gerne, dass wir bei diesem aktuellen Wort die gleiche Definition verwenden. Also lieber Leser, wer mutig fragt, darf auch mutig antworten 😉
2. Als unabhängige Psychologin, die mit keiner Krankenkasse, mit keiner politischen Organisation, mit keinem Wirtschaftsunternehmen und schon gar nicht mit der Psychotherapie-Lobby arbeitet (und es auch nicht möchte), bekomme ich: null komma null
Ich gehöre zu den wenigen, die sich öffentlich und offen gegen Prozesse innerhalb der Psychotherapie-Lobby aussprechen und bin froh, dass ich dem „Verein“ nicht beigetreten bin. Unabhängigkeit ist und bleibt mir wichtig und ich bin nicht bestechlich.
3. Die Frage ist insofern berechtigt, als dass hier meine Motive hinterfragt werden. Finanzielle Vorteile zu haben kann ein Motiv sein. Muss aber nicht. Meins ist es nicht. Ich will aufklären und eine Brücke schaffen zwischen denjenigen Menschen, die ratlos sind oder unter krassem Leidensdruck stehen und hilfreichen Institutionen, die professionelle Hilfe bieten können. Der Grund dazu ist ganz einfach: Es gibt so gut wie keine Information im Internet, die menschlich klingt (anstelle von hochtrabend sachlich, wissenschaftlich, selbst-verherrlichend oder total fern der Realität). Informieren heißt nicht automatisch alles gut heißen, was in unserem Gesundheitssystem vorgeht. ABER zuerst folgt die Information, dann die Emanzipation der Betroffenen und DANN können wir uns der „Psychoindustrie“ stellen und etwas positiv in ihr verändern. Das strebe ich langfristig an.
4. Jetzt kann man natürlich hinterfragen, warum ich Artikel über stationäre Therapie veröffentliche. Und die Antwort: Weil es KEINE vernünftige Information darüber gibt. Und das ist ein Problem, denn wenn Menschen bis zu 12 Monaten auf ein fu*king unverbindliches Vorgespräch mit einem (in manchen Fällen desinteressierten) Psychotherapeuten warten (oder vorher massig Geld an selbsternannte Gurus verlieren), ist das Risiko von Chronifizierung oder sogar Suizid so hoch, dass diese Menschen DRINGEND mehr Aufklärung und Unterstützung brauchen, in welche Umgebung und in welches Hilfssystem sie vorerst könnten, damit der Schaden nicht größer wird. Und wenn es jährlich 1,4 Millionen Menschen sind, dann haben diese Menschen eine unabhängige, aber auch menschliche und ehrliche Information und Unterstützung nötig und verdient.
Die Informationen dieser dubiosen Konzerne, die Dienstleistung „Psychoklinik“ anbieten, sind ausreichend, um festzustellen, dass es sich um altmodische, uniforme und in der post Moderne weltfremde Angebote handelt, die ein vernünftiger Mensch meiden sollte. Die Konzerne bieten letztendlich nicht mehr an, als das was früher ein Kurheim war. Die mangelhafte Personalaussattung (wer will dort schon arbeiten als zweit und drittklassige „Psychiater/Psychologen“) wird mit angeblich auch medizinisch wirksamen Freizeitbeschäftigungen (Tanztees, Mal-und Zeichenkurse, Gymnastik) angereichert. Klaus Grawe hat in seinem Buch „Psychotherapie im Wandel“ eindringlich darauf hingewiesen, dass es für die Wirksamkeit dieser für das Gesundheitswesen eigentlich als Firlefanz geltenden Freizeitbeschäftigungen keinerlei Evidenz gibt. Aus Interesse habe ich mir drei populäre Pseudokliniken angesehen. Keine war so ausgestattet, dass der hohe Kostenansatz gerechtfertigt gewesen wäre. Ich hoffe, dass durch die beschlossene Krankenhausreform es zu weitreichenden Schließungen dieser altmodischen Istitute kommen wird. Etwas anderes weiß die Öffentlichkeit nicht: Wer sich dort freiwillig einschreibt, verzichtet auf Freiheitsrechte. Die meisten dieser kitschigen Pensionen berufen sich auf die Musterordnung für stationäre Krankenhausbehandlungen aus dem Jahr 1917. Da steht immer noch drin, dass der Kunde sich verpflichtet, die Anstalt nicht ungefragt zu verlassen, er sich an Schließzeiten hält und den Anweisungen des Personals zu folgen hat. Viele Krankenhäuser haben diese Pragraphen aus ihren AGBs gestrichen, da sie offensichtlich rechts-und verfasungswidrig sind. Nur diese Psychokuranstalten haben sie noch in ihren Verträgen. Der Fairness halber weise ich zwar darauf hin, dass sich daran nimand halten muß, bei Verstößen aber damit rechenn kann, dass diese altmodischen Typen, die in diesen Anstalten arbeiten, dann die Behandlungsverträge kündigen können und der Patient erst seine Rechte gegen den Konzern einklagen muß. Das lohnt sich gegen solche Institute nicht. „Keine vernünftigen Inormationen“ liegen vor, da es aus und überr diese aus der Zeit gefallenen Kuranstalten auch nichts vernüntiges zu berichten gibt. Die Konzener nutzen die subjektiv empfundene Not von Menschen schamlos aus. Die von Ihnen dargestellte Schutzfunktion ergibt sich aus Naivität, pseudowissenschatlichen bzw. sekenähnlichen Handlungsweisen hinter verschlossenen Türen.
Das eine oder andere habe ich in diesem Blog schon gelesen. Mit 21 war ich das erste mal in einer psychiatrischen Tagesklinik und habe auch schon einen Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik gehabt. Was ich damit sagen will ist, dass ich schon einiges an Sinnvollem aber auch einiges an Unsinnigem während dieser Therapien gehört habe. Ich bin deshalb angenehm überrascht wie sachlich und einfühlsam (merkwürdige aber wohltuende Kombination) die Artikel von der Autorin sind.
Vielen Dank dafür. (Ich tue mich ein bisschen schwer mit der persönlichen Anrede, ich hoffe, dass ich trotzdem meine Wertschätzung zum Ausdruck gebracht habe)
Viele Grüße und besten Dank vom Kater
Hallo Tatjana,
ich bin zufällig auf dein Block gestoßen, da ich verzweifelt als Angehörige nach einer Lösung suche.
Mein Partner hat eine akute Psychose.
Ich vermute, dass er schon in den vergangenen Jahren dazu neigte, jedoch waren die Anzeichen noch für mich und die Umgebung nicht klar.
Nun nach vielen negativen, schweren Ereignissen hat es bei ihm explodiert und wird von Woche zur Woche immer schlimmer und das seit längerer Zeit.
Er weigert sich jedoch die Hilfe anzunehmen und meint, dass er eine Psychotherapie macht, jedoch weiß ich, dass das nicht stimmt.
Wenn man die ststiobsre Behandlung oder den Arzt erwähnt, dann kriegt er Panik und flipt aus.
Er hatte bereits suizidalen Aussagen gemacht. Er kümmert sich um seine Post nicht mehr, der Umfang mit den Kindern wurde gestrichen. Er hatte massive finanzielle Einbußen.
Ich und seine Familienmitglieder wissen nicht weiter.
Ich habe bereits mehrere Institutionen kontaktiert, jedoch kriege ich überall die gleiche Antwort.
Seinen Hausarzt habe ich kontaktiert, jedoch weiß ich nicht, ob dies was bringt. Es kommen immer mehr weitere Faktoren hinzu.
Vielleicht kannst Du irgendwas empfehlen?
Hallo,
ich würde dir gerne ein paar Tipps geben und finde es gut in eurem Fall eure Privatsphäre weiter zu schützen, daher meine Bitte: Schreibe mir bitte über das Kontaktformular direkt eine E-Mail.
Die Situation ist schwierig und du hast vielleicht 1 bis 3 Optionen. Dazu müsste ich aber wissen, welche Institutionen du kontaktiert hast und welche PLZ zu euch gehört, damit ich die Optionen besser überschlagen kann.
Ich hoffe von dir zu lesen,
Tatjana